Familienbildung in der Familienselbsthilfe

März 2017 - Beim 1. Netzwerktreffen 2017 in Stuttgart beschäftigten wir uns inhaltlich mit Familienbildung in der Familienselbsthilfe. Prof. Uta Meier-Gräwe von der Universität Gießen hielt einen hochspannenden und -informativen Vortrag und diskutierte mit uns über die Chancen der Mütter- und Familienzentren.

Der Impulsvortrag von Prof. Meier-Gräwe widmete sich der Frage: Warum lohnt es sich in präventive Angebote zu investieren? Meier-Gräwe setzte die Bildungsaufgabe der Mütter- und Familienzentren in den Zusammenhang der Infrastruktur eines „vorsorgenden Sozialstaats". Die Mütter- und Familienzentren seien die für eine Verstetigung im Alltag notwendigen Orte der Unterstützung und könnten als solche benannt und konzeptionell ausgebaut werden. Meier-Gräwe sieht den Ausbau der Kinderbetreuung gesamtgesellschaftlich betrachtet noch nicht als ausreichende Maßnahme an. Erforderlich sei ein neues Leitbild, bei dem zu einem verantwortlichen Erwachsenendasein Betreuungs- und Fürsorgeaufgaben selbstverständlich dazugehören. Dazu brauche es eine infrastrukturelle Begleitung von Übergängen.

Dies sind laut Meier-Gräwe die Aufgabenbereiche für den Familienbildungsansatz in den Mütter- und Familienzentren. Familie habe sich in unserer Gesellschaft von der natürlichen Großfamilie weg entwickelt zu einer „doing family", d.h. einer aktiven Herstellungsleistung einer Gemeinschaft von Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen und sich gegenseitig unterstützen. Familienbildung sollte diese Herstellungsleistung unterstützen. Auch das sei ein Tätigkeitsfeld der Mütter- und Familienzentren, das sie immer schon bedient hätten, aber das als Angebot weiter herausgearbeitet und explizit benannt werden müsse.

Die gesellschaftlich zu beobachtende Polarisierung der Lebenschancen, die Verstetigung von Unterversorgungslagen in Familien einerseits und die Entstehung überprivilegierter Familien andererseits finde in dem Alltag der Mütter- und Familienzentren eine Gegenbewegung, so Meier-Gräwe. Es gehe inhaltlich darum, herkunftsbedingte Nachteile für das Aufwachsen der Kinder nicht zu verstetigen oder gar durch das Aufwachsen in einer anregungsarmen Umgebung zu potenzieren. „Die Mütter- und Familienzentren in ihrem Selbstverständnis als ,öffentliche Wohnzimmer' bieten hier eine strukturelle zweite Heimat, die den von Benachteiligung betroffenen Kindern eine verlässliche, anregende Umgebung bietet mit Bindung an Menschen aus dem Sozialraum."

Gleichzeitig würden die Mütter- und Familienzentren Begegnungen zwischen den Menschen aus verschiedenen Milieus ermöglichen und damit das Wachsen sozialer Empathie begünstigen. Denn Verschiedenheit werde hier im Alltag erlebt, so Meier-Gräwe. Das spare teure Programme zu Diversität und bringe dieselbe soziale Kompetenz zusätzlich zu der wirkungsvollen Unterstützung Betroffener.

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