Denkanstöße zur Armutsprävention

Oktober 2020 - Das Mütterforum Baden-Württemberg hat sich nach dem Projekt „Ein gedeckter Tisch für alle!", das der Verband 2016 im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Strategien gegen Armut" entwickelt hat, fortlaufend mit den Themen Teilhabe und Absicherung von Teilhabe sowie mit der Sensibilisierung für diesen Themenkreis beschäftigt. Als Ergebnis eines längeren Austausch- und Reflexionsprozesses hat das Landesnetzwerk im August 2020 zehn Denkanstöße formuliert (siehe PDF-Download unten). Diesen Prozess der Auseinandersetzung werden die Mütter- und Familienzentren im Land fortsetzen.

Für die Enttabuisierung von Armut und die Beteiligung von Menschen, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind, hat das Mütterforum als Dachverband der unabhängigen Mütterzentren, Familienzentren und Mehrgenerationenhäuser in Baden-Württemberg unter dem Titel: „Ein gedeckter Tisch für alle!" ein Format geschaffen, das in verschiedener Form Begegnung und das offene und respektvolle Gespräch in und mit der Öffentlichkeit in den Mittelpunkt stellt. Es geht dabei um soziale Inklusion und Voneinander-Lernen zum Thema Armutssensibilität.

Verantwortung im Sozialraum tragen
Das Mütterforum möchte seine Mitgliedszentren für das Thema Familienarmut sensibilisieren und sie befähigen und ermutigen, dies auch zu einem ihrer Kern-Themen und Aufgaben zu machen. Der Landesverband unterstützt die Zentren, bei dem Thema Armut Verantwortung in ihrem Sozialraum mit zu tragen und selbst lokale Strategien gegen Armut zu entwickeln.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Armut steht viel auf dem Spiel: Entwicklungsperspektiven, Gesundheit und Wohlergehen von Eltern und Kindern. In einer Einrichtung wie einem Mütterzentrum geht es darum, offen zu sein, ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben. Bei jedem Kontakt ist es wichtig, nicht zu beurteilen, sondern sich in den Fokus der Betroffenen einzufühlen.

Prävention geht nicht allein
Armut ist eine existentielle Not und bedarf deshalb eines schützenden Netzes durch die gemeinsame Arbeit vieler. Gelingende Prävention und Teilhabe bedarf der Kooperation vieler Partner vor Ort. Die Mütter- und Familienzentren kooperieren in ihren Kommunen mit Politik und Verwaltung, mit Vereinen und sozialen Institutionen und sind dort, wo kommunale Netzwerke existieren, ein fester Teil davon. Das elkiko Familienzentrum Tübingen ist Mitglied und aktiver Partner im Runden Tisch Kinderarmut seit dessen Gründung vor sechs Jahren.

Aus Gesprächen mit Betroffenen wissen wir, wie schnell im Alltag Überforderung entsteht. Davor schützt auch Klugheit oder ein Studium nicht. Auch das Hilfesystem mit immer wieder neu zu stellenden Anträgen und damit verbundenen Fristen trägt einen Teil zu dieser Überforderung bei. Eine junge alleinerziehende Mutter erlebt, wie die Aufmerksamkeit, die das Kümmern um die finanzielle Unterstützung verlangt, die Aufmerksamkeit für die notwendige Ausbildung einschränkt. „Ich bin ein schwaches Glied in der Gesellschaft und muss so viel tragen", beschreibt sie ihr Dilemma.

Die junge Frau wünscht sich jemanden an ihrer Seite. „Ich schaffe es nicht allein." Aus Gesprächen kennen wir viele Alleinerziehende, denen es genauso geht. „Sortieren helfen" ist wichtig. Die Frauen brauchen mehr als eine Beratung – vielmehr einen „Coach", der weiß, welche Schritte zu tun sind, der mitdenkt und auch Schritte abnimmt. Das Mütter- und Nachbarschaftszentrum Reutlingen bietet schon lange diese verlässliche Begleitung.

Selbstverpflichtung als Netzwerk
Das Mütterforum als Netzwerk verpflichtet sich zweimal im Jahr zu einer Standortbestimmung und Überprüfung des Beitrags zu Teilhabe und Prävention von Folgen durch Einkommensarmut. Die Standortbestimmung findet in Form eines Reflexionsgesprächs in einem Mitgliedszentrum statt, das an einem eigenen Konzept arbeitet. Ergebnisse werden dokumentiert und geteilt, in passender Form in die Gesellschaft getragen und mit Verantwortlichen und Entscheidungsträgern auf kommunaler und Landesebene besprochen.

Lösungen vor Ort
Die Chance im Netzwerk liegt darin, Reflexion und konkrete Unterstützungsideen in die eigene Kommune mitzunehmen. Das wird im Familienforum Markdorf schon verwirklicht: Dort gibt es einen Unterstützungsfond, um bürokratielos finanzielle Hilfe zu leisten.

Die Mütter- und Familienzentren wollen das Thema mittragen, es nicht individualisieren und nicht still sein. Sie schreiben sich auf die Fahne, Belastungen und konkrete Erfahrungen gegenüber Kommunalvertretern anzusprechen und auf Veränderungen zu drängen. Verantwortlich für diesen Prozess sind im Mütterforum Andrea Laux und Christiane Zenner-Siegmann.

Das Mütterforum BW beteiligt sich mit zwei Veranstaltungen im Schwerpunktjahr 2020 gegen Kinderarmut und an der Strategie „Starke Kinder – Chancenreich" des Ministeriums für Soziales und Integration Baden- Württemberg. Die Veranstaltungen werden unterstützt aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg.

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