Mai 2019 – Der Austausch von Best Practices in der Familienbildung in Schweden, Norwegen und Deutschland ist Gegenstand der Erasmus+ Partnerschaft im Projekt „Family+". Zum zweiten transnationalen Projekttreffen machten sich elf Mütterzentrums-Frauen Ende Mai auf nach Göteborg.
Viele tolle Begegnungen und neue Bekanntschaften, interessante Einblicke in die Herausforderungen bei der Integration und nordisch kalt-feuchtes Wetter erwarteten uns in Göteborg. Die elf Teilnehmerinnen aus Mütterzentren, Familienzentren und Mehrgenerationenhäusern in Stuttgart, Freiburg, Tübingen und Bondorf waren vor allem gespannt auf die Angebote und Projekte der beiden schwedischen Partnerorganisationen Kvinnocenter i Bergsjön (auf deutsch „Frauenzentrum in Bergsee", einem Vorort von Göteborg) und ForumSKILL, einer NGO mit verschiedenen Angeboten für Frauen, Mütter und Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen.
Doch bevor es zu diesen Institutionen ging, gab es am ersten Projekttag für die insgesamt 30 angereisten Teilnehmer_innen aus Baden-Württemberg und Oslo mehrere Einführungen in die Flüchtlingspolitik in Göteborg und der Region Västra Götaland, außerdem sehr interessante Fakten zur Geschlechtergerechtigkeit in Schweden. Carina Larusson, die mit dem Frauenzentrum in Bergsjön zusammenarbeitet und die Organisation „Winnet" in der Region Västra Götaland leitet, stellte die visuell sehr gut aufbereiteten Daten auf der Karte www.jamstalldhetskartan.se vor. Diese Umsetzung beeindruckte die deutschen Teilnehmer_innen.
Ausflug in den Schärengarten
Zum Abschluss des ersten Projekttages ging es mit der Straßenbahn und der Fähre ging es hinaus auf die südlichste Insel im Schärengarten Göteborgs: Vrångö. Beim Spaziergang über die kleine Insel mit 400 Einwohnern offenbarte sich die Schönheit und Ruhe des abgelegenen Eilands trotz des unermüdlichen Regens. Erstaunlich: Auch hier am gefühlten „Ende der Welt" war der Handy-Empfang topp – das sehr gut ausgebaute Funknetz in Schweden sollte die Teilnehmerinnen in den nächsten Tagen immer wieder begeistern.
Am Dienstag standen mehrere Vor-Ort-Besuche auf dem Programm. Los ging es im Community Center und der Bücherei von Bergsjön, einem Stadtteil im Nordosten Göteborgs mit extrem hohem Migrations- und Arbeitslosenanteil. Die örtliche Schule wird von keinem einzigen schwedischstämmigen Kind besucht. Das in der Bücherei vorgestellte Projekt „Bookstart" erinnerte an das deutsche Lesestart-Projekt der Stiftung Lesen, geht aber weiter: Das Bücherei-Team besucht die Familien zuhause, oftmals schon, wenn die Kinder gerade sechs (!) Monate alt sind, und setzt somit in der Leseförderung sehr früh an.
Geschützter Raum im Frauenzentrum
Ein paar Meter weiter leisten Ann-Britt Svensson und Marianne Lööf mit ihrem Team im Kvinnocenter mit ebenfalls viel Engagement, aber wenig Geld Großartiges. Migrantinnen kommen beim Tun ins Gespräch und solidarisieren sich. Beispielsweise beim Sticken entsteht im geschützten Raum eine sehr vertraute Atmosphäre, wie wir beobachten durften. Einen Stock höher besuchten wir einen Schwedisch-Kurs mit vorwiegend arabischstämmigen Frauen und lernten das Catering-Angebot des Frauenzentrums kennen, das Frauen eine Beschäftigung und Möglichkeit zum Geldverdienen gibt.
Weiter ging es in den Stadtteil Angered. Zum Mittagessen luden die schwedischen Partner in ein Restaurant auf der grünen Wiese hinter Angered ein. "Larjeans Küche & Gärten" ist ein Sozialunternehmen, das die Initiative "Vägen ut" ("Der Weg hinaus") als Kooperative betreibt. Nach dem Essen erfuhren die Erasmus-Projektteilnehmer_innen hier von Beatrice Alger, Leiterin von ForumSKILL, und zwei ihrer Mitarbeiterinnen mehr über die ForumSKILL-Projekte. Zwei davon besuchten wir anschließend im Stadtteil Gårdsten, ein Vorort, der bis vor kurzem auf der Liste der gefährlichsten Gegenden Göteborgs stand.
Schwedisch lernen beim Tun
Hier hat die Schwedischlehrerin Randi Myhre von ForumSKILL vor einigen Jahren die Nähwerkstatt „Tra?d &Trade" eingerichtet, in der je vier zugewanderte Männer und Frauen für Kundenunternehmen Produkte nähen und dabei Schwedisch lernen und Selbstvertrauen gewinnen. Ein zweites, sehr erfolgreiches Angebot von ForumSKILL ist der Second-Hand-Laden "Mamas Retro". Mit hohem Anspruch und besonderer Sorgfalt arbeiten hier Frauen, die auf dem normalen Arbeitsmarkt bislang keine Chance hatten.
Am Mittwoch Vormittag gab es nochmals mehrere Vorträge im Kulturhaus am Järntorget, wo die Einführung am Montag bereits stattgefunden hatte. Zunächst erläuterten mehrere Repräsentanten der Kommune und der Regionalverwaltung ihre Schwerpunkte und Programme für Migranten und sozial benachteiligte Familien. Sehr spannend für die deutschen Teilnehmer_innen war außer der Initiative „Vägen ut" das Doula-Projekt in Göteborg. Cultural Interpreters gehen als eine Art Familienhelferinnen in zugewanderte Familien, um sie zu unterstützen und das Vertrauen der Frauen in ihre Mutterrolle zu stärken. Den mitreißendsten Vortrag hielt jedoch Adnan Ghani vom Support Group Network für das Empowerment von Flüchtlingen.
Die letzten Praxisbesuch standen am Mittwoch Nachmittag im Vorort Biskopsgården an. Im dortigen Kindergarten, wo unter 95 Kindern nur ein schwedischstämmiges zu finden ist, wird viel Wert auf die Muttersprachen der Kinder gelegt. Ein Stück weiter, hinter riesigen Häuserwänden aus Beton, eröffnet sich eine Oase: Ein Bauspielplatz als Astrid-Lingren-Idyll, der von der Kommune mit hauptamtlichem Personal betrieben wird und jeder Familie offen steht.
Das Projekt
Das Erasmus+ Projekt zum Austausch von Best Practices trägt den Titel „FAMILY+ Family education and empowerment as a way to social inclusion in Europe." Es läuft seit Oktober 2018 und geht zwei Jahre. Das Mütterforum bringt in als einer von sechs Projektpartnern Erfahrungen mit offenen Treffs und niederschwelligen Zugängen sowie als konkretes Best practice das Babycafé mit Gästen ein. Dieses wurde während des ersten Projekttreffens Ende November in Stuttgart vorgestellt. Zum zweiten transnationalen Projekttreffen nach Göteborg reisten außer dem Mütterforum zwölf Mitarbeiter_innen und Honorarkräfte des Elternseminars des Jugendamts Stuttgart und sieben Teilnehmer_innen der Osloer Projektpartner Rosenhof und des Stadtteils Stovner.
Das Projekt wurde kofinanziert durch das Programm Erasmus+ der Europäischen Union.
Haftungsausschluss: Die Unterstützung der Europäischen Kommission für die Erstellung dieser Veröffentlichung stellt keine Billigung des Inhalts dar, welcher nur die Ansichten der Verfasser wiedergibt, und die Kommission kann nichtfür eine etwaige Verwendung der darin enthaltenen Informationen haftbar gemacht werden.
zurückFür das zweite internationale Projekttreffen unserer Erasmus+ Partnerschaft mit Göteborg und Oslo besuchten wir vom 27.-29. Mai 2019 unsere Projektpartner in Göteborg.
(Fotos: Jasmin Horber und TN der Projektreise)